Sonja Ablinger

Der Mythos geht um in Österreich

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Im April dieses Jahres titelte das profil zur von dem Magazin als Mythos bezeichneten Lohnschere. Die Autoren versuchten zu belegen, dass die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern nicht belegbar und daher eben ein ‚Mythos’ sei. Der Artikel war schlecht und oberflächlich recherchiert. Ein Beleg der Ahnungslosigkeit der Autoren bei geschlechtsspezifischen Einkommensfragen war ihre Ignoranz und Verkennung von mittelbarer Diskriminierung. (Gleich ist nicht gleich. Gleich heißt auch gleichwertig.)

Nun hat Christine Bauer-Jelinek ein Buch herausgeben, in dem auch sie einen Mythos findet: ‘Die Unterdrückung der Frauen durch die Männer ist ein Mythos’.  Der Mythos geht um hierzulande. Oder was man(n) halt als Mythos gerne hätte.

Wir müssen solche Beiträge nicht überbewerten, wenn schon auf den ersten Blick das Fehlen jeglicher Expertise erkennbar ist. Weil aber immer wieder das Argument hervorgebracht wird, Frauen sollen halt einfach besser verhandeln, muss klargesellt werden: Equal Pay ist keine Verhandlungssache, sondern die Pflicht der Unternehmen.

Diese Erkenntnis dürfte Christine Bauer-Jelinek nicht ereilt haben. In einem Kurier-Gesprächmit Eva Rossmann meint sie, die Einkommensbenachteiligung sei von Frauen selbst verursacht, weil sie schlechter verhandeln als Männer. Dazu gibt es nämlich sogar ein konkretes Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 20.5.1998, ‘wonach eine höhere Bezahlung eines Mannes für eine gleichartige Tätigkeit gegenüber einer Frau nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass sie zu wenig verlangt habe.’ Darauf verweisen Eva Schiessl und Sandra Konstatzky unter anderem in einem profunden Beitrag über ‘Lohngleichheit von Frauen und Männern, Rechtswirklichkeit und politischer Handlungsbedarf’.

Die Einkommensschere zwischen Männer und Frauen hat viele Ursachen. Eine davon liegt in der mittelbaren Diskriminierung: Tätigkeiten, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, sind (historisch) schlecht bewertet und geringer entlohnt. Häufig wird bei Einstufungen und Beschreibungen nicht darauf geachtet, dass alle Tätigkeiten nach einem Maßstab bewertet werden, eben kein „männlicher“ Maßstab angelegt wird und keine Geschlechtsvorurteile einfließen. Sehr oft werden so haushaltnahe Tätigkeiten wie putzen oder bügeln nicht oder nur schlecht bewertet, weil Frauen das „ja ohnehin können“. Tätigkeiten, die in klassischen Frauenberufen eine Rolle spielen werden wenig, gar nicht bewertet oder übersehen.

Im Zuge der nun verpflichtenden Einkommensberichte wurde im ÖGB OÖ fundiert recherchiert und ein paar Beispiele für mittelbare Diskriminierung ans Licht gebracht. So stellte sich heraus, dass in einem Metallgewerbebetrieb angestellte Männer mehr als angestellte Frauen verdienen, obwohl sie dieselbe Qualifikation und Berufsjahre aufweisen. Die Frauen und Männer arbeiteten beide jeweils als Sachbearbeiter_innen im Büro. Die Männer müssten in der Beratung im Kundendienst “technisches Wissen” aufweisen, was höher entlohnt wird – so die Begründung des Unternehmens. Bei Nachfrage stellte sich heraus, dass die Frauen für die Abrechnungen der Dienstleistungen ebenfalls entsprechendes technisches Wissen benötigen. Aber in diesem Fall wird es “vorausgesetzt” und daher nicht entlohnt.

In einem Dienstleistungsbetrieb erhalten Männer grundsätzlich schneller außerordentliche Gehaltserhöhungen als Frauen in den gleichen Positionen. Das Unternehmen rechtfertigte das damit, dass Männer halt öfter um eine Lohnerhöhung verhandeln. Und das obwohl wie erwähnt das Unternehmen – und nicht die Arbeitnehmerin -  für gleiche und gleichwertige Entlohnung verantwortlich ist.

Und als letztes Beispiel der Sammlung: In einem Pflegebetrieb wurden unterschiedliche Frauen- und Männerlohngruppen festgestellt. “Hilfstätigkeit im Arbeiterbereich” lautet die Überschrift. Darunter fanden sich dann die Liste der Tätigkeiten wie Hilfsköchinnen, Hilfsbeschließerinnen und Hilfsnäherinnen mit ausschließlich weiblicher Bezeichnung. Eine zweite Lohngruppe listete Hilfsgärtner und Hilfsportiere. Unnötig zu betonen, dass die Tätigkeiten in der Männerlohngruppe höher bewertet waren.

Wir haben als SPÖ Frauen im Rahmen des Internationalen Frauentages ein wenig in die Kollektiverträge geschaut und plötzlich haben wir uns gefragt: Ein Maler muss ziemlich viel stehen bei der Arbeit. Eine Verkäuferin aber auch. Warum verdient sie um 200 Euro weniger? Ein geschickter Mechaniker ist für jeden Betrieb ein Gewinn. Eine geschickte Friseurin ganz sicher auch. Warum verdient sie um 700 Euro weniger? Warum nur? Welcher Mythos steckt da dahinter?

 

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