Ich habe hier schon mehrmals Zahlen zu Frauen in der Kunst präsentiert und über Ergebnisse berichtet. Statistiken und Berichte machen Ungleichverhältnisse sichtbar. Sie sind wichtiger Anstoß für notwendige Debatten und Grundlage für Maßnahmen, um die Unausgewogenheit zu verkleinern. 2011 begann ich mit Statistiken zu Frauen in größeren deutschsprachigen Theatern und setzte mit Recherchen über Frauen in großen Kultureinrichtungen fort. Eine Orientierungshilfe scheint so simpel wie unverändert: Wo Geld und hohe Aufmerksamkeit sich bündelt, besteht ein Männerüberhang. Je größer die Einrichtung, je höher die Gagen, umso weniger Frauen finden sich in den Statistiken. Gerade darum ist es notwendig, darüber zu berichten und noch vielmehr, die Einrichtungen zur Berichtslegung zu verpflichten. Vor dem Sommer bat ich die mittleren Kultureinrichtungen um ihre Genderstatistiken. Ergebnisse und aktuelle Zahlen aus dem Kulturbericht 2012 habe ich hier zusammengetragen. Auch das Ö1-Kulturjournal berichtete darüber.
Eines fällt sofort auf: Auch in der Kunst ist die Gläserne Decke aus Panzerglas. Denn ein Mangel an Regisseurinnen, Autorinnen, Urheberinnen, Komponistinnen oder etwa Filmemacherinnen aber auch weiblichen Kunststudierenden, gibt es nicht. Das ist durch die Genderstatistiken der mittleren und kleinen Kultureinrichtungen nachweisbar. Aber Künstlerinnen können nicht gleichermaßen in die gleichen Positionen, Plätze, Bühnen und Räume vordringen wie Künstler.
Dass es auch anders geht, zeigt sich bei eben jenen Häusern, die sich Geschlechtergerechtigkeit in der Kunst zum Anliegen machen (WUK, steirischer herbst) und/oder von Frauen geleitet werden (steirischer herbst, Diagonale). Wirksam sind auch Initiativen, die Druck machen (FC Gloria bei der Filmförderung im ÖFI, Frauenvernetzungsprojekte wie fiftitu%) und Mentoringprogramme. Bei vielen mittleren Bühnen und Häusern ist insgesamt der Anteil der Künstlerinnen höher. Die Gläserne Decke kann durchbrochen werden. Weniger Zaghaftigkeit ist gefragt – wie Mieze Medusa komponierte:
Schneewittchen, sag schon, wie geht das Zerschlagen vom Glassarg?
Hast du da Erfahrungswert? Gilt der auch für Decken?
„Schlag nicht so zaghaft“, sagst du
„Verschlaf nicht den Zeitpunkt“, sagst du
„Wart nicht zulang“, sagst du
„Schlag zu, solang du Kraft dazu hast!
Und dann pfeiff: drei Pfiffe,
und dann pfeiff drei Pfiffe,
und dann pfeiff drei Pfiffe
Damit, die die dir nachkommt im Glassarkophag die Stelle mit Riss weiß!
1. Neue Geschlechterauswertung im Kulturbericht seit 2013
- Besonders auffallend männlich geprägt ist die Musik: Die Wiener Staatsoper und die Volksoper weisen eine fast 100prozentige Männerquote in allen Sparten aus.
- Das Burgtheater bleibt in allen Spielstellen einstellig, was den Frauenanteil bei Regie und Autorenschaft betrifft.
- Die Statistik in den Museen ist etwas unterschiedlicher, allerdings werden öfter ausschließlich Männer für Einzelausstellungen eingeladen, als dass der Frauenanteil 20% übersteigt. Positiv fällt das Belvedere auf mit einem Frauenanteil von 67% bei den Einzelpräsentationen. Interessant ist auch der hohe Frauenanteil bei Einzelpräsentationen im Naturhistorischen und im Technischen Museum.
Staatsoper – alle Spielstätten*
|
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen |
LibrettistInnen | 10 | 0 | 100% | 0% |
DirigentInnen | 9 | 1 | 90% | 10% |
RegisseurInnen | 6 | 0 | 100% | 0% |
KomponistInnen | 23 | 0 | 100% | 0% |
Volksoper – alle Spielstätten
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
LibrettistInnen | 13 | 1 | 93% | 7% |
DirigentInnen | 12 | 0 | 100% | 0% |
RegisseurInnen | 5 | 1 | 83% | 17% |
KomponistInnen | 11 | 0 | 100% | 0% |
Burgtheater – alle Spielstätten
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
AutorInnen | 26 | 3 | 90% | 10% |
RegisseurInnen | 26 | 5 | 84% | 16% |
Albertina – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 8 | 0 | 100% | 0% |
Belvedere – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 2 | 4 | 33% | 67% |
Kunsthistorisches Museum – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 4 | 0 | 100% | 0% |
Völkerkunde – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 1 | 0 | 100% | 0% |
Theatermuseum – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 3 | 0 | 100% | 0% |
MAK – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 8 | 3 | 72% | 28% |
MMK –Stiftung Ludwig – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 4 | 2 | 67% | 33% |
Naturhistorisches Museum – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 6 | 10 | 38% | 62% |
Technisches Museum – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 4 | 3 | 57% | 43% |
Nationalbibliothek – Einzelpräsentationen
Männer | Frauen | %Männer | %Frauen | |
KünstlerInnen | 1 | 0 | 100% | 0% |
*Zahlen aus dem aktuellen Kulturbericht.
2. Frauen in mittleren Kultureinrichtungen
Im Unterschied zu den großen Kultureinrichtungen weisen mittelgroße Kulturhäuser/Institutionen seltener durchgängige Männerquoten aus. Ausgenommen davon bleibt die Musik:
Die Wiener Symphoniker und die Innsbrucker Festwochen Alter Musik arbeiten in seltesten Fällen mit Dirigentinnen oder führen Werke von Komponistinnen auf. Die Musik ist und bleibt männlich – unabhängig von der Größenordnung.
- So wurde in Innsbruck in den letzten drei Jahren nur 2012 ausnahmsweise eine Frau an das Pult gebeten. Die Symphoniker arbeiteten mit nur zwei Dirigentinnen aber 32 Dirigenten. Komponistin hatte sie keine einzige im Programm.
Mittelgroße Theater/festivals laden häufiger Regisseurinnen und Autorinnen ein. So lag im Schauspielhaus Salzburg in den Jahren 2010 bis 2013 derFrauenanteil in der
- Regie bei 20, 25, um die 40, 50 und 63 Prozent.
Bei den 217 Theaterprojekten der steirischen Theaterfeste der Regionen wurden 99 oder
- 46 Prozent Regisseurinnen engagiert
- bei Uraufführungen lag der Frauenanteil bei 76 Prozent
Der Frauenanteil beim oberösterreichischen Festival der Regionen lag zwischen 2009 und 2013
- durchwegs um die 40 Prozent.
Negativ fällt das Vienna English Theatre auf: in den Jahren 2010 bis 2013 waren gerade einmal drei Frauen als
- Autorinnen oder Regisseurinnen – also 13 Prozent – geladen.
Die Genderstatistik bei Einzelausstellungen in mittelgroßen Häusern ist im Vergleich zu Bundeseinrichtungen deutlich besser.
So liegt der Frauenanteil bei Einzelausstellungen in der Secession in den letzten drei Jahren
- zwischen 33 und 44 Prozent
im Künstlerhaus
- zwischen 31 und 42 Prozent
In der Kunsthalle Exnergasse/WUK wurden in diesem Zeitraum
- zwischen 47 und 57 Prozent Künstlerinnen
für Ausstellungen eingeladen.
Ähnlich fällt die Statistik in ausgesuchten Filminstitutionen aus, wie die Zahlen zeigen. So liefen im Wettbewerbsprogramm der Diagonale in Graz zwischen 2011 und 2013 rund
- 36 Prozent Filme, die von Frauen gemacht wurden.
Eine steigende Statistik weist das Filminstitut/ÖFI nach, auch hier zeigt die anhebende Diskussion um Geschlechterausgewogenheit und Frauenförderung Wirkung: Der Frauenanteil stieg von 2010 bis 2012 bei der
- Herstellungsförderung Drehbuch von 10 auf 30 Prozent
- bei der Regie von 24 auf 30 Prozent und
- bei der Kamera von 6 auf 17 Prozent.
So weit eine Zusammenfassung meiner Recherchen. Die Liste der angefragten Einrichtungen und Angaben zu Antworten ist hier einsehbar. Die Gesamtauswertung aus den Meldungen der Kultureinrichtungen findet sich hier.
Ich werde jedenfalls meine Abfragen fortsetzen und auch die Diskussion dazu mit Künstlerinnen und mit in der Kunst engagierten Frauen und Männern. Denn, wie der Standard berichtete: Noch ist die ‘Absenz von Frauen fest verankert’. Noch. Und wie Emmy Werner dem Standard sagte: ‘Man kann die Theaterdirektorinnen immer noch an den Fingern einer Hand abzählen.’ Noch.
5. September 2013 um Uhr
Danke liebe Sonja, ja so ist es. Bei den Aufträgen im öffentl. Raum verhält es sich genau so. Für die künstlerische Ausgestaltung des”Neuen Musiktheater ” in Linz wurden nur männliche Künstler ausgewählt. 6 Positionen.Es war ein geladener Wettbewerb. Dabei waren 4 weibliche Künstlerinnen eingeladen. Aber einen Auftrag bekam keine. Jetzt im Nachhinein kaufte man noch schnell ein Werk einer Künstlerin. Damit sollten wir uns beruhigen.
10. September 2013 um Uhr
DIE Kunst ist weiblich und wird AUCH von Frauen gemacht!
Aktion 10.4.2013 und Presseaussendung vom 9.4. 2013 von FIFTITU%
http://fiftitu.at/content/k-nstlerinnen-am-bau-vermisst