Sonja Ablinger

In der ‘Gesamtheit’ – keine Antwort der Justizministerin

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Vier Wochen wären eigentlich lange genug, um einen Brief zu beantworten – sollte man meinen. Am 9. April habe ich einen Brief an die Justizministerin abgeschickt – Antwort habe ich bisher keine erhalten. Anlass für den Brief war die Beantwortung meiner parlamentarischen Anfrage, die ich zu Anfang des Jahres an die Bundesministerin für Justiz gestellt habe. Hintergrund dafür war, dass die Staatsanwaltschaft Wien im Jänner 2013 die Ermittlungen gegen FPÖ-Klubobmann und Bundesparteichef Heinz-Christian Strache wegen des Vorwurfs der Verhetzung eingestellt hat. Man sehe den Tatbestand der Verhetzung nicht erfüllt. Die Ministerin hat in ihrer Antwort mitgeteilt, dass sie die Ansicht der Staatsanwaltschaft teilt, weil ‘nicht gegen die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung gehetzt” worden sei.

Strache hatte im August des vorigen Jahres Aufsehen erregt, in dem er eine Karikatur auf seiner öffentlichen Facebook-Seite hochgeladen hatte. In der Presse vom 19. August 2012 wird die Karikatur wie folgt beschrieben:

„Die Karikatur zeigt einen Tisch, an dem eine Figur, die ‚Regierung‘, einer abgemagerten Gestalt, dem ‚Volk‘, nur einen Knochen zuschiebt, während sie ihrem anderen Tischgenossen, bezeichnet als ‚Banken‘, aber ein wahres Festmahl serviert. Diese (…) als fett und gierig karikierte Cartoonfigur weist Stereotypen auf, die im antisemitischen Umfeld immer wieder ‚den Juden‘ zugeschrieben werden: eine Hakennase und Davidsterne auf den Manschetttenknöpfen.“

Da der antisemitische Gehalt der Karikatur von Historiker/innen eindeutig festgestellt wurde und man davon ausgehen kann, dass Strache als ehemaliger Student der Geschichte in der Lage ist, die antisemitische Symbolik der Darstellung zu erkennen, ist der Verdacht auf Erfüllung sowohl des objektiven als auch des subjektiven Tatbestandes der Verhetzung verhärtet.

In der Antwort der Justizministerin hielt diese allerdings fest, dass durch die Karikatur “nicht gegen die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung gehetzt“, sondern “Kritik an der Bundesregierung und dem beschlossenen Eurorettungsschirm geübt” worden sei.

Diese Antwort hat mich wirklich erschüttert. Mein erster Gedanke war, dass Ministerin Karl offensichtlich nicht benennen will, was offensichtlich ist. Auch der Strafrechtler Richard Soyer von der Universität Linz hält die Begründung der Justizministerin für die Einstellung der Erhebungen gegen Strache für unrichtig, wie Ö1 berichtete: “Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass Stürmer-ähnliche Karikaturen nicht die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung betreffen. Ich halte das für eine nicht tragfähige Begründung, den objektiven Tatbestand bei einer solchen Sachlage zu verneinen.” Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka, wie er in einem Schreiben an SOS Mitmensch darlegt:

„Was ist antisemitische Verhetzung, wenn nicht die Verwendung des Davidsterns als negatives Symbol in einer dem „Stürmer“ entlehnten Karikatur? Eine Justiz, die das nicht sieht, ist — bestenfalls — unwissend; und schlimmstenfalls ist sie unwillig, ihre Aufgabe im demokratischen Rechtsstaat zu erfüllen.“

Es werden also schwere Bedenken an der Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft formuliert und die Entscheidung wird von namhaften Vertretern der Wissenschaft als nicht nachvollziehbar gewertet. In so einem Fall sieht die Gesetzeslage auch die Möglichkeit einer Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde vor, damit zur Wahrung des Gesetzes eine zweifelsfreie Auslegung des Tatbestands der Verhetzung nochmals geprüft wird. Gemeinsam mit meinem Kollegen SPÖ-Justzsprecher Hannes Jarolim habe ich darum einen Brief an Frau Jusitizministerin Karl gerichtet und sie darin ersucht, zwecks einer diesbezüglichen höchstgerichtlichen Klarstellung der Generalprokuratur, den Auftrag zu einer Nichtigkeitsbeschwerde zu erteilen. Dieses Schreiben haben wir am 9. April 2013 abgeschickt.

Heute ist der 8. Mai. Eine Antwort haben wir nicht erhalten. (Eintrag 18. Mai: Na sowas – ein paar Tage danach traf eine Antwort ein!)

Zur Erinnerung: Die Generalprokuratur kann im Auftrag des Bundesministers für Justiz gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes  beruhen, Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben. Im Auftrag der Ministerin. Aber: ‘Im Übrigen ist jedermann berechtigt, die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzuregen.’

Jedermann ist berechtigt. Auch jedefrau. Ich werde also ein Schreiben direkt an die Generalprokuratur richten. Vielleicht erhalte ich dort eine Antwort zur Frage, ob ein antisemitischer Cartoon, gepostet auf facebook und mithin ‘für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar‘, gegen jüdische Mitbürger, also gegen eine ‘Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht.’

Wie schrieb Anton Pelinka:

‘Eine Justiz, die das nicht sieht, ist — bestenfalls — unwissend; und schlimmstenfalls ist sie unwillig, ihre Aufgabe im demokratischen Rechtsstaat zu erfüllen.’

Na dann: An die Generalprokuratur, Schmerlingplatz 11, 1011 Wien….

Mittlerweile ist auch die Antwort der Generalprokuratur eingetroffen: Sie sieht keinen Anlass zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde.

 

 

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