20 Jahre nach dem ersten Frauenvolksbegehren stellen wir – wieder einmal – fest, dass wenige der Forderungen umgesetzt wurden. An den ungleichen Geschlechterverhältnissen hat sich wenig verbessert. Immer mehr Frauen arbeiten Teilzeit – viele davon nicht freiwillig. Die Lohnschere schließt sich nicht und die Aufteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten kaum geändert. Ich habe die elf Forderungen des 1. Frauenvolksbegehrens in Hinblick auf die Datenlage von damals und heute angesehen. Die wachsende Armut bei Alleinerzieherinnen, die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die fehlenden Rechtsansprüche im Bereich der Vereinbarkeit – machen deutlich, wie aktuell der Forderungskatalog des „alte Frauenvolksbegehrens“ heute noch ist. Das neue Frauenvolksbegehren ist gerade darum wichtig und genau am Punkt.
Das überarbeitete Regierungsübereinkommen macht darüber hinaus deutlich, dass die Koalition wenig Interesse an emanzipatorischer Frauenpolitik hat. Kaum eine einzige zentrale frauenpolitische Forderung findet sich in dem Update der Regierungserklärung wieder.
Was wir brauchen, ist ein neues „bissfestes“ Gleichstellungspaket mit Rechtsansprüchen. Das würde zum Beispiel bedeuten ein Entgeltgleichheitsgesetz ohne Verschwiegenheitsklauseln, einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, den dringend notwendigen Ausbau der Gewaltschutzeinrichtungen, Frauenhäuser und Frauenservicestellen, eine Unterhaltsgesetz, das Kinderarmut beseitigt – und eine Staatszielbestimmung, die Gleichstellung der Geschlechter als Verpflichtung und Handlungsanleitung sieht. Um es mit Johanna Dohnal zu sagen: Es geht darum, dass die so genannten „weichen Themen“, die in Wirklichkeit „harte Brocken“ sind, endlich die Bedeutung erhalten, die sie verdienen und nicht männlich milde belächelt werden.
Und hier geht’s zum Faktencheck.
Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit und einem Mindestlohn sind auch 20 Jahre später noch hochaktuell. Der Gender Pay Gap schließt sich nur sehr langsam. Vergleicht man/frau das Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern, so liegt der Einkommensnachteil laut Zahlen der Statistik Austria unverändert bei 38 Prozent. Ein Grund dafür ist auch der Anstieg der Teilzeit bei Frauen. Die Teilzeitquote der Frauen stieg von 31 auf 50 Prozent. Was besonders ins Auge springt: Die Teilzeitquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren liegt mittlerweile bei 75 Prozent. Vor zwei Jahrzehnten betrug sie lediglich 45 Prozent. Die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit müssen 20 Jahre nach dem 1. Frauenvolksbegehren noch immer überwiegend Mütter alleine beantworten. Männer in Karenz bleiben die Ausnahme und Väter reduzieren selten aus familiären Gründen ihre Arbeitszeit.
Frauen haben zwar in Sachen Bildungsabschlüssen enorm aufgeholt – aber die gläserne Decke bleibt bestehen. Das hängt eben auch damit zusammen, dass die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familienarbeit eine „weibliche Domäne“ ist. Einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz, wie ihn das Frauenvolksbegehren forderte, gibt es noch immer nicht. Die Kinderbetreuungsangebote für Unter-2jährige stiegen nach Daten der Statistik Austria zwischen 1995 und 2015 von fünf auf lediglich 25 Prozent, die Quote für Volksschulkinder hat in den letzen zwanzig Jahren einen bescheidenen Anstieg von sieben Prozent auf 17 Prozent verzeichnet.
Das Frauenvolksbegehren forderte einen garantierten Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit. Auch diese Forderung wurde nicht umgesetzt. Es gibt mittlerweile zwar eine Regelung zur gesetzlichen Elternteilzeit, allerdings nur für Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mehr als 21 Beschäftigten arbeiten. Die Arbeiterkammer hat dazu jüngst die Diskriminierung von Frauen in Elternteilzeit aufgedeckt: Die Rückkehr in den Job führt viele Mütter ins berufliche Abseits. In der AK Rechtsberatung wurde zwischen September und Dezember 2016 erhoben, mit welchen Problemen sich junge Eltern – in erster Linie sind es Frauen – an die AK Wien wenden. Die Untersuchung zeigt: Benachteiligungen von Müttern kommen häufig vor. Die Probleme der Betroffenen reichen von Verschlechterungen des Arbeitsklimas über Zuweisung zu schlechteren Tätigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.
Die fehlenden Rechtsansprüche, der Rückbau des Sozialstaates und immer wieder nur versprochene, aber bisher nicht eingelöste Reformen, wie zum Beispiel die Unterhaltssicherung von Kindern in Ein-Eltern-Familien treffen darum Alleinerziehende besonders hart. Mittlerweile haben laut EU-SILC 2015 Ein-Eltern-Haushalte mit 42 Prozent die höchste Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung.
Die Konsequenz dieser Benachteiligung spiegelt sich in der weiblichen Altersarmut wider. Eine der Forderungen des Frauenvolksbegehrens war das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Davon sind wir heute weit entfernt. Die Pensionsreformen der blau-schwarzen Regierung (2003/2004) machen Frauen zu den großen Verliererinnen. Der Gender Gap in der Alterspension ist mittlerweile auf 53 Prozent angewachsen. Der verlängerte Durchrechnungszeitraum, also die de facto lebenslange Durchrechnung, damals zynisch als „Pensionsharmonisierung“ umschrieben und die Veränderung bei der Bemessungsgrundlage werden ihre dramatischen Auswirkungen noch zeigen. Eine Pensionskürzung wurde als Pensionsreform verkauft.
Der frauenpolitische Backlash lässt sich ganz konkret beziffern: Lag Österreich nach den Erhebungen des „Global Gender Gap Report“ im Jahr 2006 noch an 26. Stelle, so belegen wir 2016 nur noch den 52.(!) Rang. Rund 170 Jahre wird es noch dauern, bis Frauen und Männer weltweit gleichgestellt sein werden, wie aus der Studie des World Economic Forum hervorgeht. Der Report gibt auch Auskunft darüber, wie groß die Geschlechterdifferenz in Bezug auf wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, Bildung, Gesundheit und politische Partizipation in einem Land ist. 2016 wurden 144 Länder verglichen. In der Kategorie „Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit“ liegt Österreich 2016 auf dem 84. Platz, in der Unterkategorie Einkommensgleichheit auf dem 100. Platz.
Die Forderungen des 1. Frauenvolksbegehrens 1997 im 20-Jahre-danach-Check:
Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende gesetzliche Maßnahmen herzustellen:
1. Unternehmen erhalten Förderung und öffentliche Aufträge nur, wenn sie dafür sorgen, dass Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind.
Eine Koppelung der Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand an Gleichstellungsziele gibt es nicht. Beschlossen wurde die Verpflichtung für Unternehmen Einkommensberichte zu legen. Seit 2011 sind Unternehmen verpflichtet, Berichte zu legen:
Der Einkommensbericht muss von Unternehmen,
• die dauernd mehr als 150 Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer beschäftigen, alle zwei Jahre erstellt werden.
Die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer sind zur Verschwiegenheit (außerhalb des Unternehmens) über den Inhalt des Einkommensberichts verpflichtet. Einholungen von Rechtsauskünften oder Beratung durch Interessenvertretungen (z.B. die Arbeiterkammer) oder die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz stehen dem nicht entgegen.
Aber:
• eine verpflichtende Beratung des Einkommensberichts ist nicht vorgesehen.
• Einkommensberichte verschwinden oft in der Schublade – es besteht keine Verpflichtung zu einem Maßnahmenplan zur Behebung von Einkommensbenachteiligungen.
• LeiharbeiterInnen sind nicht miteinbezogen.
• die Lesbarkeit der Einkommensberichte ist mangelhaft.
• Überstunden, Prämien und Zulagen sind nicht extra ausgewiesen.
• ein Genderindex zu Führungskräften fehlt.
• die Gleichbehandlungsanwaltschaft wird nicht in die Evaluierung miteinbezogen.
• vor allem aber fehlt eine Kompetenzstelle zur Evaluierung und Weiterentwicklung der Einkommensberichte.
2. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist anzustreben. Deshalb ist ein Mindesteinkommen von S 15.000,- brutto, das jährlich dem Lebenskostenindex angepasst wird, zu sichern.
Aktuell hat die Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm die Umsetzung eines Mindestlohnes von 1.500 Euro ins Auge gefasst. Laut Arbeiterkammerdaten verdienen rund 356.500 Beschäftigte weniger als 1.500 Euro brutto, davon sind zwei Drittel Frauen – also etwa 243.000 Frauen. Der Gender Pay Gap bleibt auch 20 Jahre danach noch fast unverändert, wie die Daten zeigen:
Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern im Zeitvergleich – Unselbständig Erwerbstätige insgesamt 1) 2)
1997: 38,2 2015: 38,4
Bruttojahreseinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen und Männern im Zeitvergleich – Ganzjährig Vollzeitbeschäftigte – ohne Lehrlinge
1997: 22,5 2015: 17,3
Q: STATISTIK AUSTRIA, Lohnsteuerdaten – Sozialstatistische Auswertungen. Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern im Verhältnis zum Bruttojahreseinkommen der Männer. 1) Ohne Lehrlinge. 2) Inklusive Teilzeitbeschäftigte und nicht-ganzjährig Beschäftigte. Bruttojahresbezüge gemäß § 25 Einkommensteuergesetz.
3. Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind arbeits- und sozialrechtlich der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen.
Geringfügig Beschäftigte sind zwar vom Arbeitsrecht erfasst, aber nur unfallversichert – es sei denn, man/frau hat mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die über 426 Euro pro Monat liegen. Was besonders ins Auge springt: War vor 20 Jahren Teilzeit die überwiegende Beschäftigungsform von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren (45%), ist sie mittlerweile für die Mehrheit der Frauen die häufigste Beschäftigungsform – unabhängig vom Alter der Kinder. Vor 20 Jahren war fast jede zweite Frau mit Kindern unter 15 Jahren in einer Teilzeitbeschäftigung, der Anteil heute liegt bei 75 Prozent.
Teilzeitquoten (ILO) der 25- bis 49-Jährigen, 1997 – 2015
1997 | 2015 | |
Männer insgesamt Frauen insgesamt |
3,4 % 31,3 % |
8,9 % 50,2 % |
Männer mit Kindern unter 15 Frauen mit Kindern unter 15 |
2,8 % 44,9 % |
6,6 % 74,5 % |
Erwerbstätigkeit nach ILO-Konzept: Erwerbstätig sind Personen ab einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens einer Stunde. Bis 2003 Klassifikation Vollzeit/Teilzeit nach Stundengrenze (bis 35 Stunden), ab 2004 Selbstzuordnung.
4. Keine Anrechnung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage.
Hier gibt es keine Änderung – nach wie vor wird das Partnereinkommen bei der Notstandshilfe einbezogen.
Noch immer gilt: Es sind überwiegend Frauen, die die Notstandshilfe wegen Einrechnung des Partnereinkommens verlieren. Sobald das Partnereinkommen abzüglich eines Freibetrags (2017: 647€ bzw. höherer Freibetrag bei Unterhaltspflichten bzw. einem höheren Lebensalter) höher als die Notstandshilfe ist, wird diese nicht ausbezahlt. In den betroffenen Haushalten fällt daher nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges ein Einkommen zur Gänze weg. Oft reicht schon ein Partnereinkommen von rund 1.200 € netto, damit die Notstandshilfe ersatzlos gestrichen wird – und das trotz jahrelangen Einzahlens in die Arbeitslosenversicherung. Bundesweit stieg von 2008 bis 2016 die Zahl der NotstandshilfebezieherInnen von 78.400 auf 167.000. Durch die Anrechnung des Partnereinkommes wurden im Jahr 2016 rund 18.600 Menschen die Notstandshilfe gekürzt oder gänzlich gestrichen. 83 Prozent der Betroffenen waren Frauen.
5. Die Gleichstellung der Frauen muss auch durch staatliche Bildungsmaßnahmen gefördert werden. Die Bundesregierung hat geschlechtsspezifische Statistiken zu den Themen Beruf und Bildung zu erstellen und jährlich zu veröffentlichen.
Berichte wie der Gender Index werden jährlich herausgegeben, aber an der geschlechtsspezifischen Ausrichtung von Bildungswegen hat sich wenig verändert. Allerdings: Frauen haben in Sachen Bildungsabschlüssen enorm aufgeholt, doch die gläserne Decke bleibt bestehen. Seit 2011 wird jährlich der Gender Index Frauen und Männer in Österreich (Geschlechtsspezifische Statistiken) erstellt.
Studienabschlüsse ordentlicher Studierender an Universitäten 1990 bis 2014:
1990/91 Männer: 6.834 Frauen: 4.930 (Frauenanteil 42 %)
2014/15 Männer (Uni): 15.272 Frauen (Uni): 19.267 (Frauenanteil 56 %)
Dem akademischen Siegeszug der Frauen zum Trotz bleiben Managementpositionen vorrangig Männern vorbehalten wie der Frauen.Management.Report 2017 der Arbeiterkammer nachweist. Dies zeigt sich in österreichischen Unternehmen bereits im mittleren Management: in den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind nur 497 entsprechende Positionen weiblich besetzt (15,8 Prozent). In der Geschäftsführung sinkt der Frauenanteil auf 7,2 Prozent, in Aufsichtsräten, den Kontrollgremien der umsatzstärksten 200 Unternehmen liegt der Frauenanteil bei 18,1 Prozent. Die Repräsentanz von Frauen in den Führungsgremien der börsennotierten Unternehmen beträgt 3,9 Prozent.
6. Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Daher hat der Gesetzgeber für die Bereitstellung ganztägiger qualifizierter Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen zu sorgen. Tagesmütter sind auszubilden und arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.
Es gab deutliche Verbesserungen und große Investitionsprogramme im Bereich von Kinderbetreuung und Ganztagesschulen, je nach Bundesland ist die Lage aber nach wie vor sehr unterschiedlich. Bei den Tageseltern sind noch immer die Länder zuständig, die Ausbildungen und Arbeitsbedingungen sind daher unterschiedlich. Es gibt noch immer keinen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz.
Kinderbetreuungsquoten nach Altersgruppen 1995 bis 2015 (Anteil der Kinder in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen ohne Berücksichtigung vorzeitig eingeschulter 5-jähriger Kinder ohne Hortbetreuung im Vergleich zur gleichaltrigen Wohnbevölkerung)
0- bis 2-jährige Kinder
1995: 4,6 % 2015: 25,5 %
3- bis 5-jährige Kinder
1995: 70,6 % 2015: 93 %
6- bis 9-jährige Kinder
1995: 7 % 2015: 16,5 %
7. Zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen.
Das einstige Karenzgeld lässt sich mit dem heutigen Kinderbetreuungsgeld nicht vergleichen, aber weiterhin ist es so, dass bei Alleinerziehenden in der Regel der für den 2. Elternteil reservierte Anspruch verfällt.
Fast die Hälfte der Alleinerziehenden lebt in Armut – die seit Jahren versprochene Reform zur Unterhaltssicherung bleibt die Regierung noch immer schuldig. Nach den Zahlen der Statistik Austria aus dem Jahr 2015 gibt es 251.000 Alleinerzieherinnen und 45.000 Alleinerzieher. 101.000 Mütter leben mit Kindern unter 15 Jahren. Im Vergleich dazu gibt es 7.000 alleinerziehende Väter, die mit Kindern unter 15 Jahren in einem Haushalt leben.
Eine Befragung der Plattform für Alleinerziehende ergab, dass nur jede zweite Alleinerzieherin regelmäßig Kindes-Unterhalt vom Vater des Kindes erhält, weshalb viele Frauen auf staatliche Unterhaltsvorschüsse angewiesen sind. Bis diese allerdings ausgezahlt werden, kann es nach der aktuellen gesetzlichen Regelung mitunter Jahre dauern. Die Tücken im Unterhaltsvorschussgesetz haben oft weitreichende Folgen für die ökonomische Situation von Alleinerziehenden und deren Kinder – viele rutschen in die Armut ab. Laut EU-SILC 2015 haben Ein-Eltern-Haushalte mit 42 Prozent die höchste Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung.
8. Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit.
Es gibt mittlerweile gesetzliche Elternteilzeit, allerdings nur für Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mehr als 21 Beschäftigten arbeiten. Die Arbeiterkammer hat unlängst in einer Pressekonferenz die Diskriminierung von Frauen in Elternteilzeit aufgedeckt: Die Rückkehr in den Job führt viele Mütter ins berufliche Abseits. In der AK Rechtsberatung wurde zwischen September und Dezember 2016 erhoben, mit welchen Problemen sich junge Eltern – in erster Linie sind es Frauen – an die AK Wien wenden. Die Untersuchung zeigt: Benachteiligungen von Müttern kommen häufig vor, jeden Tag wird zumindest ein neuer Fall den AK-ExpertInnen bekannt gemacht. Die Probleme der Betroffenen reichen von Verschlechterungen des Arbeitsklimas über Zuweisung zu schlechteren Tätigkeiten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.
9. Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf 26 Wochen.
Diese beträgt unverändert vier Wochen.
Dazu eine kurze Geschichte zur früheren Karenzregelung: Im Jahr 1957 wurde in Österreich eine allerdings unbezahlte Karenzregelung beschlossen. Mütter hatten die Möglichkeit nach Ende des Mutterschutzes für maximal 6 Monate ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen. Die meisten berufstätigen Mütter konnten sich jedoch eine unbezahlte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach dem Mutterschutz gar nicht leisten. Alleinerzieherinnen konnten davon praktisch gar keinen Gebrauch machen, weil sie arbeiten gehen mussten um für sich und das Kind die Existenz zu sichern. Seit der Einführung der Karenzregelung 1957 fordern Frauen die Ausdehnung der Behaltefrist auf 26 Wochen.
(Im Jahr 1961 wurde der Karenzurlaub bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes ausgedehnt und für die Zeit der Erwerbsunterbrechung hatten verheiratete Mütter einen Anspruch auf die Höhe des halben Arbeitslosengeldes (damals mindestens 400 Schilling pro Monat) und überwiegend alleinerziehende Mütter hatten Anspruch auf das volle Arbeitslosengeld. 1974 wurde ein fixes monatliches Karenzurlaubsgeld von damals 2.000 Schilling für verheiratete Mütter beschlossen. Alleinstehende Frauen bekamen mit dieser Regelung ein um 50 Prozent erhöhtes Karenzgeld, das waren damals 3.000 Schilling. Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, dass alleinstehende Mütter Sondernotstandshilfe bis zum dritten Lebensjahr des Kindes beziehen können (wenn für das Kind nach Ende der Karenzzeit kein zumutbarer Betreuungsplatz zur Verfügung stand). Im Zuge der „Konsolidierungspakete“ 1995 wurde die Höhe des Karenzurlaubsgeldes (damals ca. 8.000,- Schilling) gekürzt und das erhöhte Karenzurlaubsgeld für alleinerziehende Eltern sowie Eltern mit sehr geringem Einkommen abgeschafft. Anstelle dieser Regelungen wurde ein rückzahlbarer Zuschuss von 2.500 Schilling pro Monat eingeführt – wobei Alleinerzieherinnen von der Rückzahlpflicht ausgenommen wurden. Sie mussten allerdings den Vater des Kindes angeben.)
10. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Wenn ein/e Lebenspartner/in nicht erwerbstätig ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen. Kindererziehung und Pflegearbeit wirken pensionserhöhend.
Eine Pflicht für den/die PartnerIn Pensionsbeiträge zu zahlen gibt es nicht. Was es gibt, ist das Pensionssplitting: Teile des Pensionsanspruches können auf beide aufgeteilt werden. Das ist aber freiwillig und wird kaum in Anspruch genommen. Ansonsten werden Erziehungszeiten bis zu vier Jahren pro Kind für die Pensionsversicherung anerkannt.
Dramatisch aber wirkt sich die Pensions’reform’ der schwarz-blauen Koalition in den Jahren 2003/04 aus, insbesondere die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums auf eine de facto lebenslange Durchrechnung. In einer Untersuchung hieß es: „Frauen mit niedrigem Einkommen in Kombination mit längeren Teilzeitphasen“ sind die Verliererinnen der Pensionsreformen 2003/2004 – kurz gesagt: Frauen sind die Verliererinnen der Pensionsreform. Schon heute beträgt der Gender Pension Gap 53 Prozent. Nach Daten des Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger liegt der Median (50% verdienen weniger als…) der weiblichen Alterspension bei 872 Euro, jener der Männer bei 1.636 Euro.
11. Keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist.
Die Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen kommt – ab 2024.
Der Global Gender Gap des World Economic Forum gibt Auskunft darüber, wie groß die Geschlechterdifferenz in Bezug auf wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, Bildung, Gesundheit und politische Partizipation in einem Land ist. Er vergleicht seit 2006 weltweit Länder in Hinblick auf Geschlechterdifferenzen in den jeweiligen Ländern, 2016 waren es 144 Länder. Lag unser Land im Jahr 2006 noch an 26. Stelle, 2007 an 27. und 2008 an 29. Stelle, so belegen wir 2016 nur noch den 52.(!) Rang. In der Kategorie „Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit“ liegt Österreich 2016 auf dem 84. Platz. 144 Länder wurden 2016 verglichen, in der Unterkategorie „Einkommensgleichheit“ belegt unser Land den 100. Platz. Soweit zur „tatsächlichen Gleichberechtigung in allen Bereichen”.